Nassau/Bad Ems - Die Kinderarztpraxis in Nassau wird ihre Sprechstunden deutlich ausweiten. Möglich macht es der Bad Emser Kinderarzt Dr. Rainer Steger, der nach drei Jahren im Ruhestand ins Berufsleben zurückkehrt.
Der 72-Jährige und die bereits in Nassau tätige Kollegin Dr. Christine Bingel stehen den kleinen Patienten von Februar an montags bis freitags zur Verfügung.
"Das ist ein Sieg der Medizin über die Bürokratie und eine deutliche Verbesserung der Versorgung in der Region", sagt der Allgemeinmediziner Dr. Thomas Klimaschka, der die Gemeinschaftspraxis betreibt, in der Bingel und Steger tätig sind. Noch vor wenigen Wochen war der Fortbestand der Kinderarztpraxis infrage gestellt worden, weil ein Vorstandsbeschluss der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz (KV) sich negativ auf deren Umsatz ausgewirkt hatte und sie nicht mehr kostendeckend war (die RLZ berichtete).
Bis vor wenigen Tagen kannten sich Klimaschka und Steger gar nicht. Dennoch bewegten sie sich unabhängig voneinander auf die jetzt gefundene Lösung zu. Der Bad Emser las in der RLZ davon, dass die KV unangekündigt Zuschläge gestrichen hatte, die den Umsatz in Nassau um rund 8000 Euro pro Quartal schmälern, die Wirtschaftlichkeit der Kinderarztpraxis und damit ihren Bestand gefährden. Der Nassauer wiederum erwog schon länger, irgendwann eine zweite Teilzeitstelle einzurichten, um die Sprechzeiten zu erweitern und zugleich flexibler zu werden, damit die Praxis in der Urlaubssaison nicht schließen muss.
"Die Idee, Dr. Steger anzurufen, kam mir mitten in der Nacht", sagt Klimaschka. "Ich will die Kinderarztpraxis nicht sterben lassen und musste etwas tun." Also rief er den Ruheständler an, und sie verabredeten ein persönliches Treffen. "Kollege Klimaschka hat mich überzeugt", sagt Steger, der in den vergangenen Jahren mehrere Anfragen anderer Kollegen, wieder ins Berufsleben zurückzukehren, abgelehnt hatte, schmunzelnd. Ganz ernst fügt der Bad Emser Arzt hinzu: "Ich brauche keine Beschäftigung, um mir die Zeit zu vertreiben. Aber ich sehe nicht ein, dass eine gute Initiative von der Bürokratie der KV kaputt gemacht wird."
Klimaschka ist glücklich, dass Steger auf seinen Vorschlag eingegangen ist. "Er hat einen guten Ruf und ist mit Leib und Seele Kinderarzt", sagt der Nassauer und lobt Stegers "hervorragendes medizinisches Wissen". Steger wiederum sagt nach mehreren Treffen mit Klimaschka und einem Besuch der Nassauer Räumlichkeiten in der Feldstraße: "Die Chemie stimmt. Ich finde mich in der Praxis wieder." Geistig und körperlich fühlt er sich der Aufgabe gewachsen. "Ich bin noch fit", sagt der 72-Jährige, und wer ihn erlebt, kann daran gar nicht zweifeln.
Erst im Frühjahr hatte Klimaschka seine mit dem Singhofener Arzt Dr. Hans Jaeger betriebene Gemeinschaftspraxis in Nassau um eine angestellte Kinderärztin erweitert. Die Mutter von vier Kindern ist in Teilzeit montags, mittwochs und freitags tätig. "Mehr geht bei ihr einfach nicht", sagt Klimaschka und macht deutlich, dass ein Großteil der laufenden Kosten so hoch ist wie bei einer täglich geöffneten Praxis. Nachdem im November deutlich geworden war, dass die bis dahin von der KV gewährten Zuschläge wegfallen, entstand eine Finanzierungslücke. Die soll nun durch die Ausdehnung der Sprechzeiten geschlossen werden.
Dennoch bleibt die Entscheidung der KV nicht ohne negative Folgen. Weil für die Kinderarztpraxis künftig mehr Personal benötigt wird, macht man an anderer Stelle Abstriche. Die ebenfalls von Klimaschka und Jaeger betriebene Praxis in Singhofen bleibt von Februar an mittwochs geschlossen. "Sollte sich an der Entscheidung der KV noch etwas zum Besseren ändern, können wir natürlich mittwochs auch in Singhofen wieder eine Sprechstunde anbieten", macht Klimaschka deutlich.
Von unserem Redakteur Carlo Rosenkranz