Bad Ems/Nassau - Eine Realschule plus an zwei Standorten hält der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Bad Ems, Josef Oster (CDU), für nicht zukunftsfähig. Oster meldet sich mit dieser Einschätzung erstmals öffentlich in der Debatte um die Schulstandorte Bad Ems und Nassau zu Wort.
Hauptschule und Realschule in Nassau stehen vor der Auflösung. Die Schulaufsichtsbehörde hat zu Wochenbeginn die Verbandsgemeinde Bad Ems aufgefordert, Einvernehmen darüber herzustellen, ob sie die Schiller-Realschule plus organisatorisch erweitert und die Verantwortung für die in Nassau unterrichteten Schüler übernimmt. Der Rat wird sich voraussichtlich am 2. Mai mit dem Thema beschäftigen. Bürgermeister Josef Oster (CDU) hält es für ausgeschlossen, dass die Schule dauerhaft an zwei Standorten angesiedelt sein wird. "Wir brauchen eine Lösung, die auch in den nächsten 10 bis 15 Jahren tragfähig ist. Das halte ich nur mit einem Standort für möglich", so der Bürgermeister.
In der zum Teil emotional geführten Diskussion über den Schulstandort Nassau hat sich Oster bislang nicht öffentlich geäußert. "Ich habe großes Verständnis für die Reaktionen der Nassauer", sagt er und betont: Wäre Bad Ems betroffen, würde er sich genauso engagiert für den Schulstandort in der Kreisstadt einsetzen. Dennoch hält er es prinzipiell für richtig, dass das Land eine Dreizügigkeit für weiterführende Schulen zur Bedingung macht. Nur mit einer gewissen Größe könnte die erforderliche Qualität des Unterrichts und die Vielfalt des Angebots aufrechterhalten werden und eine Schule ein klares Profil entwickeln.
Unklare Verhältnisse verunsichern
Eine Schule an zwei Standorten hat nach Einschätzung des Bad Emser Bürgermeisters keine Zukunft. Schon die vor Jahren geplante Integrierte Gesamtschule in Bad Ems und Nassau sei in der Verbandsgemeinde nicht als Ideallösung betrachtet worden. Dass die damals geforderte Anmeldungszahl weit verfehlt wurde, sei ein deutliches Votum der Eltern gewesen. "Eine Schule mit zweigeteiltem Standort wird nicht funktionieren", sagt Oster. "Unklare Verhältnisse verunsichern viele Eltern. Das hat die Praxis gezeigt." Zudem müssten Mittagsverpflegung und Nachmittagsbetreuung doppelt organisiert werden, und Klassen übergreifende Projekte würden unmöglich.
Zwei Ursachen hat Bürgermeister Oster für die bevorstehende Auflösung der Nassauer Schule ausgemacht. Erstens: die 2008 getroffene Entscheidung des Landtages, eine Dreizügigkeit für die Umwandlung von Schulen in eine Realschule plus zum Stichtag 31. Juli 2013 gesetzlich festzulegen. Zweitens: die Schülerzahlen. In Nassau pendelt die Zahl der Grundschulabgänger, die an weiterführende Schulen wechseln werden, in den kommenden Jahren zwischen 85 und 94, wobei die Zahl mit Ausnahme von 2014 jeweils unter 90 liegen wird. In Bad Ems hingegen gibt es in den kommenden Jahren ein Schülerpotenzial von jeweils mehr als 130 Kindern. Zudem gelinge es in Nassau nicht, die Schüler aus den Umlandgemeinden der Verbandsgemeinde ans Schulzentrum zu binden. Die aktuellen Zahlen sind überdeutlich: Hätten sich nicht 15 Kinder aus der VG Bad Ems für die Nassauer Schule angemeldet, wäre der kommende Jahrgang nur mit 26 Kindern besetzt und damit äußerst knapp über der Einzügigkeit. Aus Singhofen, der größten Gemeinde nach der Stadt Nassau, gab es gar keine Anmeldungen. Die dortigen Eltern schicken ihre Kinder vor allem nach Nastätten. "Das ist ein Problem, das von Bad Ems aus nicht zu beeinflussen ist", macht Oster deutlich, dass die Verbandsgemeinde nicht am Ast des Nassauer Schulzentrums gesägt hat. "Wir haben uns nicht darum beworben, dass die Schule dem Standort Bad Ems zugeordnet wird."
Dass der Tag der Entscheidung kommen würde, ist seit dem Scheitern der einst geplanten IGS mit den Standorten Nassau und Bad Ems Anfang 2010 klar. "Uns war schon damals bewusst, dass sich ein Wettbewerb entwickeln würde", sagt Oster. Vor drei Jahren handelten Schulleitung und Schulträger umgehend und bewarben das Profil der Schillerschule, das seitdem stets weiterentwickelt wurde, auf professionelle Art und Weise. Erklärtes Ziel war und ist, in Bad Ems ein vollständiges Angebot an weiterführenden Schulen anzubieten. Das sei Aufgabe eines Mittelzentrums und einer Kreisstadt.
Der Standort Bad Ems ist laut Bürgermeister Oster auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet. Die Nähe zum Goethe-Gymnasium betrachtet er als ideal, weil sich die Lehrerkollegien austauschen können. Er rechnet mit einer intensiver werdenden Zusammenarbeit in einigen Bereichen. Inwiefern das Schulgebäude künftig erweitert werden muss, sei derzeit völlig offen. Bislang kolportierte Angaben, die von Investitionen zwischen 1 und 3 Millionen Euro sprechen, bezeichnet er als Schnellschüsse aus der Hüfte. "Es gibt keine belastbaren Zahlen", sagt Oster. Zunächst müsse man abwarten, wie der Kreis mit der benachbarten Adolf-Reichwein-Förderschule umgehe. Würde sie geschlossen und die Förderschulen an zwei Standorten im Kreis konzentriert, ergäben sich neue räumliche Möglichkeiten für Realschule plus und Gymnasium.
Zu Investitionen bereit
Falls nötig ist der Bürgermeister aber auch bereit für eine räumliche Erweiterung der Schillerschule. "Die Schulträgerschaft hat für die Verbandsgemeinde Bad Ems schon immer einen hohen Stellenwert", sagt er. "Wenn wir eine größere Verantwortung haben, werden wir uns dieser stellen. Das heißt auch, dass wir nötigenfalls investieren werden." Bei alledem ist dem Bad Emser Bürgermeister bewusst, dass die aktuelle Situation die bislang gute Zusammenarbeit mit der VG Nassau nicht leichter macht. "Ich würde auch eine andere Lösung mitmachen, aber ich sehe keine, die mittel- und langfristig eine starke Schule möglich macht", sagt er.
Für Oster ist die nun akut gewordene mögliche Auflösung eines Schulstandorts nur ein Beispiel für die Herausforderungen, die die demografische Entwicklung vor allem im ländlichen Raum mit sich bringt. "In Zukunft wird man nicht mehr überall alle Einrichtungen aufrechterhalten können", lautet seine Einschätzung. "Umso wichtiger ist es, dass es dann noch Zentren mit einem umfassenden Angebot gibt, das die Bedürfnisse einer ganzen Region abdeckt." Dafür nähmen die Bürger auch weitere Wege in Kauf. Gerade am Beispiel Schullaufbahn zeige sich schon jetzt, dass ein kurzer Schulweg für viele Eltern nicht oberste Priorität habe. "Wichtiger ist das konkrete Angebot einer Schule."
Bürgermeister Oster und sein Nassauer Amtskollege Udo Rau (CDU) werden im Rahmen der Veranstaltung „RLZ vor Ort extra“ am Mittwoch, 8. Mai, 19 Uhr, in der Nassauer Stadthalle über die aktuelle Schulsituation an der Lahn diskutieren. Auch Landrat Günter Kern (SPD) wird teilnehmen. Der Kreis ist Träger der Nassauer Realschule, die aufgrund schulgesetzlicher Vorgaben aufgehoben werden soll. Zur Podiumsdiskussion sind zudem Elternvertreter der Nassauer Dietrich-Bonhoeffer-Realschule und der Bad Emser Schiller-Realschule plus eingeladen. Die Schulaufsichtsbehörde wird durch den Leitenden Regierungsschuldirektor Klaus Süssmann vertreten.
Von unserem Redakteur Carlo Rosenkranz