Lahnstein - Als Kind wollte er Architekt werden. Große, mächtige Häuser bauen und der Welt auf diese Weise in Erinnerung bleiben. "So ganz hat das ja nicht geklappt. Aber immerhin hat es zum Architekten von Tönen gereicht", schmunzelt Alois Schwingshandl, um sich im nächsten Moment wieder "seinen" Orgelpfeifen zuzuwenden.
Von unserem Redakteur Tobias Lui
Der Bayer steht gerade auf einem Baugerüst in zehn Meter Höhe inmitten der Niederlahnsteiner Johanniskirche. Intonateur Schwingshandl ist nämlich "auf Montage" und vier Wochen lang zu Gast am Rhein-Lahn-Eck.
Der Chef des 39-Jährigen heißt Claudius Winterhalter, ist ein europaweit angesehener Orgelbauer aus Oberharmersbach (in der Nähe von Freiburg), und wurde vom Förderkreis der Johanniskirche beauftragt, eine Schwalbennest-Orgel zu bauen und zu installieren. Im Mai schaffte eine Stahlbaufirma hierfür die baulichen Voraussetzungen in dem Sakralbau aus dem 12. Jahrhundert, vor zwei Wochen schlossen Techniker den komplizierten Einbau ab.
Nun ist Intonateur Schwingshandl ("Klangarbeit ist Endarbeit") an der Reihe. "Die Hälfte meiner Arbeit findet im Vorfeld in der Werkstatt statt", berichtet er. Schließlich benötigen Bau und Installation einer Orgel dieser Qualität - der Förderkreis lässt sich das Paket rund 400 000 Euro kosten - detaillierte Planungen, beste Materialien, eine fehlerfreie Installation und eine extrem akribische Arbeit des Intonateurs.
"Ist eine Orgel ordentlich intoniert, muss am Klang über Jahrhunderte nichts mehr gemacht werden", verspricht Schwingshandl, während er jede einzelne Pfeife mit Akribie bearbeitet.
Schon als Kind spielte er Orgel und lernte eines Tages per Zufall einen Orgelbauer kennen. "Dessen Arbeit hat mich fasziniert", berichtet Schwingshandl, der seinen Berufswunsch kurzerhand änderte und Orgelbauer wurde.
Eine Wahl, die er bisher nicht bereut hat, "auch wenn man davon nicht unbedingt reich wird..." Aber immerhin gehört die Firma Winterhalter mit ihren acht Angestellten zu den etabliertesten Unternehmen einer Branche, die schon mal deutlich bessere Zeiten gesehen hat: Denn der Bedarf an Orgelbauern ist drastisch gesunken, gleichzeitig machen Billiganbieter die Preise kaputt.
"Die Kirche in Deutschland wird reformiert, überall werden Gemeinden zusammengelegt", erklärt der Experte. "Also sparen die Gemeinden weiteres Geld, indem sie nicht mehr jede Orgel pflegen oder erneuern." Trotz der geringeren Nachfrage gibt es bundesweit mittlerweile gleich 270 Orgelbaufirmen.
Ähnlich wie bei den Schornsteinfegern ist auch in diesem Beruf der Meisterzwang weggefallen - ein Umstand, den man der EU zu verdanken hat. "Für unsere Branche ist das natürlich eine Katastrophe, denn jetzt kann sich quasi jeder Orgelbauer nenne", kritisiert Schwingshandl.
Auch der Berufsstand des Intonateurs ist nicht geschützt. Und so wimmelt es mittlerweile von schwarzen Schafen, die versuchen, über Preisdumping an Aufträge zu kommen.
Für die Firma Winterhalter ist das kein Thema. "Wenn einer meint, er könne die gleiche Arbeit mit weniger als der Hälfte des Geldes machen, ist das seine Sache", sagt Schwingshandl. "Wir steigen dann aber aus, denn Qualität hat ihren Preis."
Auf Dauer, zeigt er sich überzeugt, würden ohnehin nur jene Firmen über bleiben, die auch gute Arbeit ablieferten. Was die Firma aus dem Badischen zu beherzigen scheint: Bis 2017 ist man ausgebucht, erst danach können neue Aufträge angenommen werden.
"Wir sind froh, so eine renommierte Firma für unsere neue Orgel gefunden zu haben", freut sich Ralf Cieslik, Gemeindereferent der Kirchengemeinde St. Martin und selbst passionierter Kirchenmusiker. Echte Profis seien gefragt, "schließlich ist die Installation der Schwalbennestorgel in die Jahrhunderte alte Kirche ist eine echte Herausforderung".
Qualität, die ihren Preis hat: Der Förderkreis Johanniskirche um den Vorsitzenden Frank Lambertin hat über Monate gespart, Benefiz-Konzerte organisiert und nicht zuletzt die Fördermitglieder um Spenden für das 400 000-Euro-Projekt gebeten.
"Leider besteht aber immer noch eine Finanzierungslücke von 95 000 Euro", berichtet Cieslik. Daher wird der Förderverein auch nach der offiziellen Orgelabnahme am 4. Juli noch damit beschäftigt sein, mit Konzerten und verschiedenen Aktionen weitere Spendengelder zu sammeln.