Konkurrenz belebt das Geschäft und sorgt dafür, dass ein Monopolist nicht beliebig die Preise diktiert. Der Zweckverband Schienenpersonennahverkehr Nord (SPNV Nord) möchte, dass bei der Ausschreibung von Schienenverkehrsleistungen weiterhin Wettbewerb möglich ist. Dahinter steht die Angst, der Deutschen Bahn ausgeliefert zu sein, weil private Verkehrsunternehmen nach der Bankenkrise mit dem Staatskonzern vielfach nicht mehr mithalten können.
Als zu Beginn des Jahres bekannt wurde, dass die Deutsche Bahn ab dem Jahr 2015 den Personennahverkehr auf der Lahntalbahn wieder komplett von Vectus übernehmen wird und auch die Aartalstrecke betreiben soll, ahnte noch niemand etwas von dem Bahnchaos mit zig Zugausfällen insbesondere rund um Mainz in diesem Sommer. Ob die DB AG den Auftrag auch bekommen hätte, wenn all das schon bekannt gewesen wäre, sei einmal dahingestellt. Fest steht, dass der SPNV Nord bislang gut damit gefahren ist, dass es bei Auftragsvergaben mehrere Anbieter gab. Doch der Wettbewerb ist in Gefahr. Immer weniger Unternehmen beteiligen sich an den Vergabeverfahren.
Hintergrund sind zunehmende Probleme potenzieller Bieter, sich Fremdkapital zu beschaffen, um damit Investitionen zu tätigen. Dabei geht es um richtig viel Geld. Ein Beispiel: Wer einen Auftrag für fünf Millionen Zugkilometer im Jahr an Land ziehen will, muss für die notwendigen Fahrzeuge Investitionskosten in dreistelliger Millionenhöhe schultern. Wörtlich heißt es in einer Vorlage der Kreisverwaltung zum Kreisausschuss: "Da viele Unternehmen hier kaum mehr eine Chance sehen, erfolgreich gegen die der Bundesrepublik Deutschland gehörende Deutsche Bahn AG anzutreten, teilweise die geforderte Finanzierung überhaupt nicht mehr zustande bringen, besteht zunehmend die Gefahr, dass es bei Ausschreibungen nur noch einen Bieter gibt."
Der Verbandsdirektor des SPNV Nord, Thomas Geyer, befürchtet, dass sein Verband dadurch in eine deutlich schlechtere Ausgangslage kommt. Die Vergabeverfahren hätten in der Vergangenheit überwiegend positive Ergebnisse gebracht. Die Verkehrsangebote auf der Schiene seien qualitativ und quantitativ verbessert worden, ohne dass dafür deutlich höhere Kosten entstanden wären. Ohne Wettbewerb, so die Befürchtung, werden sich solche Ergebnisse nicht mehr erzielen lassen, die Bahn würde die Monopolsituation ausnutzen. Aktuell könnte das schon die demnächst anstehende Vergabe der beiden Rheinstrecken nördlich von Koblenz betreffen.
Das Problem ist bundesweit von den Aufgabenträgern des Schienenverkehrs erkannt und wird unterschiedlich angegangen. Zum Teil kaufen die Verbände die Fahrzeuge selbst und stellen sie den Verkehrsunternehmen zur Verfügung. So weit will der SPNV Nord nicht gehen. Stattdessen soll den Verkehrsunternehmen durch Kapitaldienstgarantien die Finanzierung der Fahrzeuge erleichtert werden. Die Bonität der öffentlichen Hand wird gewissermaßen auf die Eisenbahnunternehmen übertragen, was wiederum dazu führt, dass die Firmen günstigere Kreditkonditionen bei den Banken erhalten und so bei Vergabeverfahren auf Augenhöhe mit der DB AG mithalten können. Beispiel: Würde das Unternehmen 100 Millionen Euro für neue Fahrzeuge zu Kommunalkreditkonditionen finanzieren, so belastete dies die Kalkulation mit etwa 5,74 Millionen Euro pro Jahr. Ohne Kapitaldienstgarantie wären es jedoch 7,82 Millionen Euro.
Damit dieser Kniff einer abstrakten Zahlungsgarantie ohne finanzielle Mehrbelastung des Zweckverbands angewendet werden kann, muss die Verbandsordnung geändert werden. Darin soll die theoretische Möglichkeit eröffnet werden, von den Verbandsmitgliedern, Kreisen und Städten zwischen Trier und Altenkirchen, eine Umlage zu erheben, ohne dass dies zurzeit tatsächlich beabsichtigt wäre. Der Kreisausschuss des Rhein-Lahn-Kreises hat dem am Montag zugestimmt. Der Beschluss soll von der Verbandsversammlung des SPNV Nord am Freitag, 13. September, umgesetzt werden.
Von unserem Redaktionsleiter Hans Georg Egenolf