Nassau. Wenn das kein Draht nach oben ist. Naja, zum größten Teil jedenfalls. Von ein, zwei Schauern abgesehen, blieb es am Samstagnachmittag wider Erwarten trocken, sodass das "Fest der Kulturen" auch in seiner zweiten Open-Air-Auflage auf dem Amtsplatz statt in der Stadthalle als Ausweichquartier steigen konnte.
Ein buntes, fröhliches Fest ist es, das - salopp formuliert - als eine Art Kontaktbörse für Nassauer Bürger unterschiedlicher Herkunft fungiert. Gemeinsam von der Stadt Nassau, dem türkischen Kulturverein, der katholischen und evangelischen Kirchengemeinde in Kooperation mit dem Beirat für Migration und Integration des Rhein-Lahn-Kreises organisiert, soll es die Menschen miteinander ins Gespräch bringen, Hemmschwellen und Vorbehalte abbauen - kurz: dem jeweils anderen Kulturkreis weitgehend seine Fremdheit nehmen.
Logisch, dass dieser Gedanke in die diversen offiziellen Grußworte Eingang fand. Während Stadtbürgermeister Armin Wenzel erklärte, in Nassau werde jede Kultur gelebt, betonte Landrat Günter Kern: "Nassau ist das beste Beispiel dafür, dass wir älter, weniger und bunter werden." Und Pfarrer Peter Egenolf, der für beide Kirchengemeinden sprach, veranschaulichte das Thema mit dem Gleichnis vom eingesperrten Bären, der aus Gewohnheit auch dann noch im Kreis herum läuft, als die Gitterstäbe längst abgesägt sind. "Nehmen wir das Fest der Kulturen als Gelegenheit, mit eingefahrenen Denkgewohnheiten zu brechen, den Horizont zu erweitern und uns für das vermeintlich Fremde zu öffnen", sagte er.
Wobei man den Eindruck hatte, dass das in Nassau ohnehin schon ganz gut klappt. Von Berührungsängsten zwischen den Nationen war jedenfalls wenig zu spüren in all dem bunten Gewusel, das den Amtsplatz an diesem Nachmittag beherrschte. Angeregt plauderte man miteinander, ließ es sich bei Lahmacun, Börek und anderen türkischen Köstlichkeiten gut gehen, genoss Kaffee und Kuchen am Stand der katholischen Kirchengemeinde und erfreute sich natürlich auch an dem abwechslungsreichen Rahmenprogramm. Moderiert wurde es wie immer von den Brüdern Fatih und Enbiya Özsoy, die nicht nur Mitglieder der türkischen Gemeinde in Nassau, sondern auch Mitarbeiter der Stadt sind und somit als Paradebeispiel für einen gelungenen Brückenschlag zwischen den Kulturen gelten können.
Viel Musik und Tanz hatten die beiden anzukündigen: Nachdem das Blasorchester Lahn Sin(n)fonie schon vor der offiziellen Festeröffnung mit Evergreens wie dem Gipsy-Kings-Hit "Cantare" den Auftakt geliefert hatte, war erst mal der Nachwuchs an der Reihe: die Kitas Bachbergweg und Scheuern, die die Gäste international versiert auf Portugiesisch, Arabisch, Türkisch, Russisch und Deutsch begrüßten. Die Tanzmäuse der Bendorfer Narrenzunft, die mit ihrem Haremstanz für Stimmung sorgten. Und die türkischen Sangeskünstler, die unter Leitung von Imam Naci Karadeniz das Publikum zu begeistern wussten.
Damit war das Unterhaltsprogramm allerdings noch lange nicht zu Ende. Da war noch die dem Dachverband DITIB angehörende türkische Folkloregruppe, die mit traditionellen Tänzen aus der Ägäis- und der Schwarzmeerregion einen Mini-Einblick in den Facettenreichtum der türkischen Kultur gab. Der Chor der Stiftung Scheuern, der wiederum eine ganz andere Note in die Veranstaltung hineinbrachte, indem er neben einigen Volksliedern auch einen geistlichen Kanon vortrug. Die Jugendband Corona in the Pipeback, die ihre Zuhörer mit Songs von Bob Dylan und anderen in die Welt des Folk und Pop mitnahm. Und schließlich der türkische Sänger Arslani Valdet, der, beim letzten Song von Moderator Fatih Özsoy auf der Cajón begleitet, den musikalischen Part des Festes vollends zu einer runden Sache machte. Und auch als auf der Bühne vorne nichts mehr los war, saßen etliche Festbesucher noch lange im angeregten Gespräch zusammen - kurzzeitig wieder einsetzender Nieselregen hin oder her.
Von unserer Mitarbeiterin Ulrike Bletzer